In ihren Ursprüngen war die Kaffeepflanze Teil eines vielfältigen Biotops. Ihre zunehmende Kultivierung als Nutzpflanze hat nicht nur ihre Rolle innerhalb dieses Ökosystems verändert, sondern auch das Ökosystem selbst. Wachsende Nachfrage an Kaffee und steigender Konsum verlangten nach der Erschließung größerer Anbauflächen, ertragreicheren Pflanzen und häufigeren Erntezyklen. Aus Ermangelung vorhandenen Agrarlandes wurden umliegende Wälder gerodet. Die vermehrte Ausbreitung der Plantagen und der immer gravierendere Eingriff in die Natur hatten und haben harsche Konsequenzen für die natürliche Biodiversität in der Nachbarschaft von Kaffeeplantagen.
Diese werden zusätzlich befeuert durch vom Klimawandel verursachte Schäden und Veränderungen an der Umwelt. Bevor die Folgen solcher Misswirtschaft unumkehrbar werden, sind vom Kaffeefarmer bis zum Endverbraucher alle in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, die das Schlimmste noch verhindern können. Eine solche Initiative ist die Wiederbelebung – oder im besten Fall Aufrechterhaltung – eines gesunden, stabilen Ökosystems rund um die Kaffeeplantagen. Das wirkt sich nicht nur auf die Kaffeepflanzen aus, sondern bekämpft gleichzeitig einige Auswirkungen des veränderten Weltklimas auf den Kaffeeanbau.
Eine beeindruckende Kaffeeplantage, gesehen auf unserer Kolumbienreise: Kaffeepflanzen wachsen zwischen Kochbananen, Bäumen und Sträuchern.
Was ist Biodiversität?
Der Begriff der Biodiversität hat eine wichtige Bedeutung. Die Vorsilbe »Bio« bezieht sich auf das Leben, die Silbe »Diversität« bedeutet Vielfalt. Es geht also um die Vielfältigkeit aller Wesen des Planeten, von denen alle eine Existenzberechtigung haben im Rahmen derer sie die Aufgabe und Funktion erfüllen, die ihnen von der Natur sozusagen zugewiesen wurden.
Darum spielt jede Spezies, ob Pflanze oder Insekt, mehrere wichtige Rollen in der Nahrungskette. Das wird etwa dadurch deutlich, dass die Produktivität der globalen Nahrungskette eng damit zusammenhängt, wie gut es den Wäldern, Meeren und der Tierwelt geht. Biodiversität stabilisiert die Heterogenität in Ökosystemen und gewährleistet genetische Variation. Je bedrohter die Biotope durch das Eingreifen – um nicht Manipulation zu sagen – des Menschen sind, desto schwieriger ist es, dieses Gleichgewicht beizubehalten oder wieder herzustellen.
Ein Blick ins Tal: Die Hänge dieser gesunden Kaffeeplantagen sind von Bambuswäldern (sogenannten Guaduales) umgeben, welche widerum voll mit Vögeln, Schmetterlingen und anderen Insekten, Spinnen u.s.w. sind.
Was hat Biodiversität mit Kaffeeanbau zu tun?
Kaffeeplantagen zeichnen sich durch Unterschiede in Struktur und Verhalten unter einander und zwischen den Varietäten aus. Faktoren, die die Biodiversität eines Kaffeeanbaugebietes aus dem Gleichgewicht bringen, sind unter anderem Selektion, Mutation und genetische Homogenisierung. Die Evolution braucht genetische Vielfalt, durch Zucht wird diese aber eingeschränkt. Mehr und mehr Kaffeevarietäten weisen aufgrund dieser Aspekte Anfälligkeiten für Schädlingsbefall und Krankheiten auf, die wiederum schlechte Bohnen- und Geschmacksqualität und wechselhafte Erntezyklen zur Folge haben.
Die Evolution hat Kaffeefarmern die größte Diversität einheimischer Spezies geschenkt. Doch die Industrie hat das Verschwinden der Flora und Fauna rings um die Anbaugebiete begünstigt: Weil die Bestäubung durch Insekten zu lange dauerte. Weil umliegende Wälder Kaffeeanbau im großen Stil unmöglich machten. Weil genetisch vielfältige Kaffeepflanzen keine vorhersehbare, gleichbleibende Erntequalität gewährleisteten. Am Ende des Tages deshalb, weil mit dem Kaffeeanbau, der biodiverse Aspekte berücksichtigt hätte, zu wenig Profit gemacht würde.
Und dennoch scheint sich was zu tun. Vom Kaffeeanbau direkt in bestehenden Waldgebieten – Guamos, das sind ganz allgemein schattenspendende Bäume auf Kaffeeplantagen – bis zum gezielten Pflanzen von Bambuswäldern (sogenannten Guaduales) oder Kochbananenpalmen.
Guaduales von oben: Die Bambuswälder geben kleinen Säugetieren und Insekten Schutz und speichern ernorme Mengen an Wasser.
Warum ist Biodiversität für den Kaffeeanbau wichtig?
Biodiversität kann den klimatischen Auswirkungen auf die Bodenbeschaffenheit vieler Kaffeeplantagen entgegenwirken. Wo zwischen den Kaffeepflanzen Bäume und Büsche wachsen, wird der Boden stabilisiert. So können Erosion und Bergrutschen an den steilen Berghängen Kolumbiens, an denen Hochlandkaffee oft angebaut wird, verhindert werden.
Gleichzeitig können Baumkronen und -blätter die sensiblen Kaffeepflanzen – besonders im Hochland – vor heftigen Regenfällen oder gar Hagel schützen. Ebenso wie vor intensiver und direkter Sonneneinstrahlung.
Die Aufforstung um Anbaugebiete herum und inmitten von Plantagen bietet darüber hinaus auch vielen Tierarten ein Zuhause. Dazu zählen Vögel, Amphibien, Reptilien, Insekten und auch Säugetiere. Und diese Tiere spielen alle eine wichtige Rolle.
Ein Ausschnitt aus unserem Dokumentarfilm über kolumbianischen Kaffee.
Tierischer Beitrag zum Kaffeeanbau
Ein Forscherteam am Kilimanjaro hat herausgefunden, dass Kaffeepflanzen, in deren Umgebung Vögel und Fledermäuse heimisch waren, 10 Prozent mehr Früchte entwickelt haben. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das damit zusammenhängt, dass die beflügelten Gesellen den Schädlingsbestand im Zaum halten.
Besonders überraschend war, dass sogar Hochlandkaffees, besser bekannt als Arabicas, von bestäubenden Insekten wie Bienen zu profitieren scheinen. Eigentlich sind Arabicakaffees Selbstbestäuber, sind also nicht auf äußere Bestäubung angewiesen. Und dennoch haben die Untersuchungen gezeigt, dass, wo Biene und Co. Kaffeeblüten anfliegen, die Kaffeekirschen im Schnitt fast 7 Prozent schwerer waren, als in Gebieten, in denen die Biodiversität reduziert ist. Etwa durch Rodung oder Pestizideinsatz.
Vögel und Fledermäuse sorgen also für mehr Kirschen. Bienen und andere Insekten verbessern die Kaffeequalität. Und der Kot der Tiere ist überdies ein hervorragender Dünger für die Kaffeepflanzen.
Schauen wir uns das Innere eines Guadual’s einmal genauer an…
Mit dem Jeep unterwegs. Unser Ziel: Das Innere eines typischen Guadual Bambuswaldes zu erkunden. Den gesamten Dokumentarfilm über kolumbianischen Kaffee könnt ihr hier anschauen.
Wer einmal in einem Guadual Bambuswald stand, wird diesen Moment nicht mehr vergessen: Die Bambusbäume schenken der Fauna Sonnenschutz, Wasser und sogar ein eigenes, kühleres Mikroklima.
»Wer Bambus pflanzt, pflanzt Wasser.«
Was tun Kaffeefarmer für mehr Biodiversität beim Kaffeeanbau in Kolumbien?
Der traditionelle Kaffeeanbau in Kolumbien sieht seit jeher die Kaffee(auf)zucht im Halbschatten und Schatten unter sogenannten Guamos vor. Zwar gibt es, wie in jedem anderen, industriell nutzbar gemachten Anbaugebiet, auch in Kolumbien längst viele Plantagen, auf denen auf den wichtigen Schutzfaktor von Bäumen und Wäldchen verzichtet wird. Dabei handelt es sich aber meist um Farmen, die den profitorientierten Massenmarkt bedienen. Ihre Philosophie und damit auch ihr Kaffee ist eher auf Quantität ausgelegt, als auf Qualität. (Die scheinen wohl die Ergebnisse der Untersuchungen zu Biodiversität beim Kaffeeanbau nicht zu kennen.)
Doch immer mehr kolumbianische Kaffeebauern besinnen sich auf die traditionelle Methode und lassen ihren Kaffee zwischen sogenannten Guaduales wachsen. Zwar verlieren sie damit Anbaufläche, sie profitieren dafür aber von größeren, aromatischeren Kirschen und reicherer Ernte – der mit den Guaduales generierten Biodiversität sei Dank. Guaduales sind kleine Bambusbestände (der einzelne Bambus wird Guadua genannt), die heimischen Tierarten Schutz bieten und umliegende Pflanzen unterirdisch mit Wasser versorgen. Ihr weit verzweigtes Wurzelsystem kann Unmengen Wasser speichern. So sind die Guaduales sogar in der Lage, den Grundwasserspiegel anzuheben. Nicht ganz grundlos lautet ein chinesisches Sprichwort: »Wer Bambus pflanzt, pflanzt Wasser.« Die Vegetation zwischen und um die Guaduales herum geht mit den Bambusbäumen eine Symbiose ein, bei der sie die Wasservorräte des Bambuswurzelwerkes anzapfen. So können auch sensible Kaffeepflanzen ein paar trockene Tage mehr wegstecken.
Guadua ist die artenreichste und verbreitetste Bambusart Lateinamerikas. Und unter diesen Arten ist die guadua angustifolia die produktivste. Sie kann täglich zwischen 10 und 15 cm wachsen und produziert im Schnitt 35 Prozent mehr Sauerstoff als andere Baumarten. Ein Guadual (Ansammlung von Guadua-Bäumen) kann schon mal bis zu 12 Tonnen CO2 pro Jahr binden. Das macht die Guaduas zu einer schnell nachwachsenden, ökologisch wertvollen, wichtigen Ressource – auch abseits der Kaffeeplantagen. Viele Sorten werden als Baustoff benutzt. So schaffen die Kaffeefarmer nicht nur ein biodiverses Ökosystem, das der Natur, dem Klima und der Qualität ihres Kaffees zugute kommt. Sie schaffen sich gleichzeitig noch eine weitere Einnahmequelle. Es gibt jedoch auch Bambusarten, die unter Artenschutz stehen.
Ein Ausschnitt aus unserem Dokumentarfilm über kolumbianischen Kaffee.
Die Guadua macht in den kolumbianischen Hochlandkaffeeplantagen genau das, was die Forscher auch in Afrika beobachtet haben. Sie bietet Vögeln, Schmetterlingen und anderen Insekten, Spinnen, Schlangen und Säugetieren wie Tapiren, Pumas und Affen eine Heimat. Ihre wasserspeichernden Eigenschaften ermöglichen es weiteren Pflanzenarten in ihrem Schatten zu gedeihen. Guaduales erfüllen auf vielen Ebenen sehr wichtige Aufgaben. Sie schließen den Kreis der Biodiversität, die nicht zuletzt für hochwertigeren, aromatischeren Kaffee verantwortlich ist.
Adieu, Halbwissen
Ein Team der Universität Göteborg hat untersucht, ob biodiverser Kaffee es auf den Mainstreammarkt schaffen kann. Sie kamen zu einem negativen Schluss. Ihrer Untersuchung zufolge kann ökologischer Kaffeeanbau, der auf Biodiversität und Qualität achtet, nicht mit den Bedingungen mithalten, die der industrielle Massenmarkt geschaffen hat.
Man muss allerdings dazu sagen, dass die Forscher das Ganze aus einer Marketingperspektive betrachtet haben. Es geht ihnen also vor allem darum, welches Potential vorhanden ist, biodiversen Kaffee durch gezieltes Marketing so auf dem Weltmarkt zu positionieren, dass er Industriekaffee ernsthaft Konkurrenz machen kann. Und dieses Potential, glauben die Forscher, ist nicht vorhanden.
Die biologische Forschung andererseits bestätigt ganz allgemein, dass Biodiversität der Qualität (und sogar der Quantität) von Kaffee zuträglich ist. Vertreter der Wildlife Conservation Society sind der Überzeugung, dass der Endverbraucher mit seinem Kaufverhalten dazu beitragen kann, dass Biodiversität beim Kaffeeanbau gefördert und sich langfristig durchsetzen wird.
Wir glauben das auch. Deshalb unterstützen wir mit unserem kolumbianischen Kaffeeprojekt sowohl Kaffeegourmets, denen Herkunft und Geschmack ihres Lieblingskaffees am Herzen liegen, als auch die Farmer, die sich dem traditionellen Anbau und damit dem Erhalt und der Rückgewinnung von Biodiversität verschrieben haben. Und das ist doch, was Bio-Kaffee ausmacht, oder?
Adieu, Halbwissen
Ein Team der Universität Göteborg hat untersucht, ob biodiverser Kaffee es auf den Mainstreammarkt schaffen kann. Sie kamen zu einem negativen Schluss. Ihrer Untersuchung zufolge kann ökologischer Kaffeeanbau, der auf Biodiversität und Qualität achtet, nicht mit den Bedingungen mithalten, die der industrielle Massenmarkt geschaffen hat.
Man muss allerdings dazu sagen, dass die Forscher das Ganze aus einer Marketingperspektive betrachtet haben. Es geht ihnen also vor allem darum, welches Potential vorhanden ist, biodiversen Kaffee durch gezieltes Marketing so auf dem Weltmarkt zu positionieren, dass er Industriekaffee ernsthaft Konkurrenz machen kann. Und dieses Potential, glauben die Forscher, ist nicht vorhanden.
Die biologische Forschung andererseits bestätigt ganz allgemein, dass Biodiversität der Qualität (und sogar der Quantität) von Kaffee zuträglich ist. Vertreter der Wildlife Conservation Society sind der Überzeugung, dass der Endverbraucher mit seinem Kaufverhalten dazu beitragen kann, dass Biodiversität beim Kaffeeanbau gefördert und sich langfristig durchsetzen wird.
Wir glauben das auch. Deshalb unterstützen wir mit unserem kolumbianischen Kaffeeprojekt sowohl Kaffeegourmets, denen Herkunft und Geschmack ihres Lieblingskaffees am Herzen liegen, als auch die Farmer, die sich dem traditionellen Anbau und damit dem Erhalt und der Rückgewinnung von Biodiversität verschrieben haben. Und das ist doch, was Bio-Kaffee ausmacht, oder?