Kaffeezubereitung hat viele Gesichter
Es gibt die Pragmatiker, die sich ihren Kaffee am liebsten unkompliziert aus dem Vollautomaten ziehen. Das hat den Vorteil, dass der Kaffee für jede Tasse frisch gemahlen wird. Außerdem kann man mühelos unterschiedliche Kaffeegetränke variieren. Mal ein Milchkaffee? Kein Problem. Einen doppelten Espresso zur Abwechslung? Einfach den richtigen Knopf drücken. Und während sie auf ihren Lieblingskaffee warten, können sie sich den Schlips zu Ende binden oder die Unterlagen für’s Meeting mit dem neuen Kunden noch eben sortieren. Die Qualität des Kaffees und dessen Geschmack spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.
Dann gibt es die Genießer. Für sie darf die Kaffeezubereitung gerne auch mal ein kleines Ritual sein. Die frischen Bohnen abwiegen. Sie mit der Handmühle frisch mahlen. Das Pulver in den Espressokocher oder die Espressomaschine geben. Und dann entspannt abwarten und das Aroma genießen, das sich schon beim Kochen in der Küche verteilt und verführerisch in der Nase kitzelt. Der Genießer ist ein Zeremonienmeister. Der Herr über seinen Kaffee. Und er kostet die Zubereitung aus – mit all seinen Sinnen.
Die Techniker und Bastler hingegen geben sich an ihrem Faible für extravagante Kaffeezubereitung zu erkennen. Wenns auf der Anrichte aussieht wie im Chemielabor, bereiten sich die Bastler wahrscheinlich gerade einen Kaffee in ihrem Syphon zu. Dass die Zubereitung im Syphon etwas länger dauert – geschenkt. Das nehmen sie gern in Kauf. Denn immerhin kann man hier chemische Reaktionen in Echtzeit und Farbe verfolgen. Plus: Das Gerät sieht per se schon spektakulär aus und sorgt als Eyecatcher sicher für Gesprächsstoff, wenn Besuch kommt. Selbst, wenn es nicht im Gebrauch ist.
Die vierten im Bunde sind die Unkomplizierten. Ihr Metier sind French Press, Handfilter und Dripper. Puristisch und selbstbestimmt, wie der Kaffee, so der Trinker, sozusagen. Dabei verschmelzen bei diesen Zubereitungsarten das Zeremonielle und der Pragmatismus. Frischer Kaffee kann, muss aber nicht zum Einsatz kommen. Die Zubereitung ist unaufwändig. Und die Stärke und Menge kann selbst gewählt werden. Kaffee, der so minimalistisch ist, passt in einen hektischen Arbeitsalltag genauso gut rein wie in das ausgedehnte Sonntagsfrühstück oder zum Kuchenbüfett mit Tante Martha.
Und dann gibt es da noch die, die morgens verschlafen und unkoordiniert aus dem Bett in die Küche schlurfen, unfähig zu mehr als einem Handgriff. Die, die froh sind, dass ein blindes Herausfischen einer Kapsel aus dem Behälter und Hineinfriemeln in die Maschine ausreicht, um an das labende, Lebensgeister weckende braune Gold zu gelangen. Ok. Es gibt auch die extrem Gestressten und Hektiker, die von dieser Zubereitungsart in höchstem Maße profitieren. Zwar auf Kosten des Geschmackserlebnisses, aber – um darüber nachzudenken – haben sie ja sowieso keine Zeit.
Wahrscheinlich ebenso wenig, wie über die mehr als 13.000 Tonnen Kaffeekapseln, die jährlich zwischen To-Go-Pappbechern und Plastikdeckeln auf dem Müll landen.
Zuerst der Kaffee, dann das Vergnügen
Kapselkaffee polarisiert. Der Erfinder selbst hat sich aus dem Kapsel-Business längst zurückgezogen. Bereuen würde er seinen Einfall, sagt er, im Hinblick auf die Müll-Konsequenzen. Ob das alles Strategie ist, sei dahin gestellt. Doch Kritiker, die die selben Nachteile des Kapselkaffees anführen gibt es zuhauf. Da ist die Rede davon, dass das kochend heiße Wasser, das den Kaffee überbrüht, Partikel aus den Alukapseln lösen könnte, die man anschließend mit trinkt. Mancher Connaisseur geht einen Schritt weiter, dahin wo es weh tut, und bemängelt Geschmack und Qualität des Kaffees. Die Fans von Kapselkaffee hingegen lassen sich davon nicht beeindrucken. Sie verweisen auf die Vorteile: Bequemlichkeit, Schnelligkeit und das Kaffeemehl ist ja schließlich aromaversiegelt.
Kaffeekapseln sind das Nonplusultra, wenn es darum geht, ohne großen Aufwand eine Tasse frisch gebrühten Kaffee zu trinken. Ein großer Pluspunkt ist wohl auch das zunehmende Sortiment an Geschmacksrichtungen. Ob ein Espresso aus der Kapselmaschine geschmacklich mit dem aus einer Espressomaschine mithalten kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Jedenfalls erfüllt die Kapselindustrie dem Kaffeetrinker längst jeden Wunsch: Entkoffeiniert, gesüßt und aromatisiert – leicht zu unterscheiden an den verschiedenen Farben der Aluminiumkapseln.
Die Kaffeekapseln haben sich darüber hinaus eine Fanbase in einer Community erarbeitet, die John Sylvan sicher nicht auf dem Schirm hatte, als er die ersten Kapseln auf den Markt gebracht hat:
Künstler, Bastler, Upcycler und DIY’ler.
Kunst und Schmuck aus Kaffeekapseln
Wer hätte gedacht, dass leere und gereinigte Kaffeekapseln einmal auf Online-Börsen als Bastelmaterial gehandelt würden? Im 10er-Pack, im 20er-Set. Wahllos bunt gemischt, nach Wunsch zusammengestellt oder unifarben.
Es scheint sich eine Bewegung herauszukristallisieren, die vor allem danach strebt, die Kaffeekapseln, die sonst im Müll landen würden, sinnvoller zum Einsatz zu bringen. Nun lässt sich über den Geschmack von Kunst (und Kaffee) vortrefflich streiten. Dass eine Wiederverwertung der Kaffeekapseln aber sinnvoller ist als sie einfach zu entsorgen, darin dürfte man sich einig sein. Während einige Kunststücke tatsächlich eher infantil wirken, als geschmackvoll oder stilsicher, werden andernorts sogar Vernissagen veranstaltet. Und einige Bastler gehen sogar noch weiter. So entstehen aus gebrauchten Kaffeekapseln Lampenschirme, Handtaschen und Dekoartikel.
Upcycler wie Bea Borner aus der Schweiz oder Katja Holzheuer aus dem Bayrischen entwerfen ganze Modeschmuckkollektionen aus den farbenfrohen Kapseln. Sie spielen dabei gekonnt mit den Kontrasten der dunkelblauen und grellroten Außenbeschichtung zum Staniolsilber der Kapselinnenseiten. Das Sortiment umfasst Armreifen, Broschen, Ketten, Ohrringe und Haarklammern.
Foto: Bea Borner
In St. Gallen hingegen entstehen unter Einsatz von viel Leidenschaft, Tüftlergeist, sozialem Verantwortungsgefühl – und Kaffeekapseln, versteht sich – spektakuläre Lampenschirme. Stehleuchten, selbst Kronleuchter aus Kaffeekapseln gibt es bei 2mol ReDesign zu bestaunen. Nicht nur, dass die Lampen in reiner Handarbeit entstehen. Sie streuen außerdem ein spannendes, diffuses Licht. Im Grunde, könnte man sagen, sind solche Einrichtungsgegenstände nahezu ein Must-have! Und nicht nur für Kapselkaffeefans.
Fotos: 2mol ReDesign
Ein Schritt weiter
Mittlerweile hat sogar die Industrie reagiert und den Re- und Upcycling-Gedanken aufgegriffen, dem sich Bastler und DIY’ler schon längst verschrieben haben. Der Marktführer, verantwortlich für die Masse an Kapseln in der Welt, hat sich mit dem einzig wahren Hersteller von Schweizer Taschenmessern zusammengetan. Aus dieser Kooperation entstand mittlerweile sogar das erste Kaffeekapseltaschenmesser.
Es bleibt abzuwarten, ob Industriegiganten auf den Upcycling-Trend aufspringen und ihn weiter ausbauen – oder gar eines Tages eine nachhaltige Lösung für die Aluminiumberge finden.
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