Seit einiger Zeit ist nicht nur gerösteter Kaffee, sondern auch roher, sogenannter »grüner Kaffee« auf dem Vormarsch: In der Ernährungsbranche und in der Diätindustrie. Ein wahrer Hype hat sich daraus entwickelt. Angeblich soll grüner Kaffee Energie liefern und schlank machen. Ohne weiteres Zutun versteht sich. Wie so ziemlich jedes andere Schlankmachpülverchen und -pillchen. Und so gibt es grünen Kaffee als Bohne, als Pulver, als Extrakt und als Kapsel zu kaufen. Oder eben gleich in Smoothies und Getränke gemischt. Besonders praktisch: grüner Kaffee im Teebeutel.
Weil grüner Kaffee natürlich so ausgesprochen gut wirkt, wird auch gleich kräftig an der Preisschraube gedreht. Grüner Kaffee zum Aufgießen liegt bei knapp 10 € pro 100 g. In Kapselform bewegt sich die Preisspanne zwischen 66 Cent bis 1,30 € und mehr pro Kapsel. Selbstredend ist die Wirkkraft von grünem Kaffee auf die Gewichtsreduktion wissenschaftlich bewiesen. Allerdings nur, wenn man nicht repräsentative Studien als wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit betrachtet.
Richtig ist: Es gab Tests.
Richtig ist aber auch: Dass 16 Studienteilnehmer keine repräsentative Gruppe bilden. Im Gegenteil. Eine Gegenuntersuchung in Israel mit mehr als 1 Million Teilnehmern kam zu dem Ergebnis, dass nach einem Jahr regelmäßiger Einnahme von Diätprodukten aus grünem Kaffee nur 2% etwa einen BMI-Punkt verloren hatten.
Die aktuellsten Angaben stammen aus 2015. Iranische Wissenschaftler wollen zwar einen Zusammenhang zwischen grünem Kaffee und Gewichtsabnahme erkannt haben. Allerdings ist nicht klar, ob nicht eher die Umstellung der Ernährung und des Lebensstils während der Abnehmphase den größeren Effekt haben.
Grüner Kaffee zum Abnehmen darf also bis dato getrost als Humbug betrachtet werden. Aber warum ist grüner Kaffee trotzdem so eine gehypte Modeerscheinung? Ist vielleicht doch was dran?
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Wie die Sache mit dem grünen Kaffee funktionieren soll
Grüner Kaffee soll vor allem durch seinen hohen Chlorogensäurengehalt seine volle Wirkung entfalten. Wenn es nach den Diätmarketern geht macht die Chlorogensäure nicht nur eine kinderleichte Gewichtsabnahme möglich. Sie wirkt sich auch noch günstig auf den Blutzuckerspiegel aus, auf die Blutfettwerte, natürlich auch auf die Leberfettwerte und den Blutdruck. Sogar zur Alzheimervorbeugung soll grüner Kaffee taugen.
Funktionieren kann das Ganze wohl nur, weil es sich um ein natürliches und damit minimal verarbeitetes Produkt handelt. Denn beim Rösten wird der Kaffeebohne schließlich Chlorogensäure entzogen. Andernfalls würde ja mit jeder Tasse leckerem Kaffee die Kilos geradezu purzeln und alle Kaffeetrinker wären rank und schlank. Ach so, und die Antioxidantien im grünen Kaffee machen ganz nebenbei eine schöne Haut.
Die Chlorogensäure soll also den Körper daran hindern können, Fett anzusetzen. Und zwar, indem sie den Energiestoffwechsel anregt, wodurch die Fettsäuresynthese reduziert wird. Gleichzeitig soll sie das Eindringen von Leukozyten ins Fettgewebe verhindern, wodurch eine Gewichtsreduktion möglicherweise unterstützt werden könnte. Wirklich belegt ist das alles noch nicht. Eine Sache gilt aber zumindest als gesichert: Auch in grünem Kaffee ist Koffein enthalten.
Grüner Kaffee in Limonaden und Smoothies
Ein österreichischer Getränkehersteller mixt grünen Kaffee in seine Limonade aus Hibiskus, Holunder und Saft von unreifen Trauben. Ob das am Ende schmeckt, muss wohl jeder für sich entscheiden. Wir möchten da auch nicht vorgreifen. Eine bestimmte Wirkung kann man der Grüner-Kaffee-Limo aber nicht zuschreiben. Das darf man auch aus rechtlichen Gründen nicht. Die von der Diätindustrie angepriesene Wirkkraft von grünem Kaffee dürfte damit allerdings wenn schon nicht widerlegt, so doch zumindest in Abrede gestellt sein.
In gekauften Smoothies wird grüner Kaffee bisher noch nicht als Heilsbringer verwendet. In Rezepten im Internet allerdings findet man ihn schon. Da grüner Kaffee aber kaum Eigengeschmack aufweist und in gemahlenem Zustand noch nicht einmal wirklich grün ist, dürfte grüner Kaffee in Smoothies wohl ein vorübergehender Trend bleiben.
Unsere etwas unverhohlene Meinung zum Thema grüner Kaffee lautet also: Wer grünen Kaffee ausprobieren möchte, sollte am besten gleich einen Heimröster mit dazu kaufen. Dann habt ihr am Ende wenigstens guten Kaffee!
..und bei Heimversuchen schont ihr damit Eure Mühlen! Die grüne Kaffeebohne ist nämlich nicht nur schwerer als die geröstete, sie ist dazu auch noch hart wie Stein.
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