Wer sich schon einmal am späten Nachmittag eines beliebigen Tages in einer durchschnittlichen Nicht-Einmal-Großstadt einem öffentlichen Mülleimer genähert und gar versucht hat, einen Eis-Stiel oder ein Taschentuch dort hineinzuknüllen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit daran gescheitert. Einen kleinen ungeduldigen Stups später löste sich eine Becherkaskade und man fühlte sich, als hätte man das kostbare Kartenhaus des schrulligen Onkels zum Einstürzen gebracht.

Coffee to go. CafCaf.de – Kaffee & Blog, Kaffeeblog

Das liegt daran, dass der Coffee-To-Go mittlerweile ein fester Bestandteil einer jeden – wir beschränken uns mal auf Deutschland, aber das bezieht sich natürlich ebenso auf so gut wie alle anderen Länder der ‚Ersten Welt’ – Innenstadt, Fußgängerzone und eines jeden Uni-Campusses ist. Sich daran festkrallend, schlendern die Menschen durch die Gegend oder von Termin zu Termin. 

Der Papierbecher dient zugleich als Orientierungspunkt, Rettungsanker, wenn ein Gespräch mal ins Stocken kommt, sogar Accessoire und Selbstvergewisserung – bin zwar in Eile, aber ich schlürfe nonchalant. Woher kommt dieser, wie wir finden, unschöne Trend und was für Bewegung kommt momentan in den Diskurs um mobilen Kaffeekonsum?

Danke, USA: Die Geschichte des Coffee-to-go-cups

In den 1960ern entwickelten William F. Dart und sein Sohn William A. aus Michigan eine Methode zur Herstellung von Schaumstoffbechern, die in den zwanzig Jahren darauf zunehmend auch für Kaffee verwendet wurden. In Sachen Ästhetik setzte 1963 der tschechische Immigrant Leslie Buck ein Zeichen und entwarf den ikonischen Anthora-Becher für die Firma Sherri Cup in Connecticut. Der Becher in den Farben blau und weiß, eine dem Stil der griechischen Antike nachempfundene Gestaltung (der Name »Anthora« kam daher, dass Buck »amphora« falsch aussprach) und die Worte »We are happy to serve you« war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht aus dem Alltag in New York City wegzudenken – 1995 erklärte ihn die New York Times zum erfolgreichsten Becher der Geschichte. Mittlerweile ist er ‚ausgestorben’ und wird in der ursprünglichen Form nicht mehr hergestellt.

 

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Die erste Kette, die frischen Kaffee zum Mitnehmen anbot, war 7-Eleven, und zwar im Jahr 1964. Es folgte noch einiges Finetuning hinsichtlich der Deckel – schließlich sollte der Schaum nicht plattgedrückt werden, insbesondere als ab den 1980ern immer weniger Leute Filterkaffee zum Mitnehmen wollten, sondern Cappuccino und dergleichen. Es ist dann Starbucks und dem neuen Besitzer der Kette Howard Schultz, zu verdanken, dass ab Ende der 1980er Papierbecher die Schaumstoffbecher verdrängten – und da Papier nicht besonders gut isoliert, kam 1991 durch den aus Portland, Oregon, stammenden Jay Sorenson die sog. Java Jacket dazu, also dieser »Muff«, in den man in vielen Cafés den Pappbecher reinstellen kann.

Es gab ein regelrechtes Ringen um den perfekten Coffee-To-Go Becher, über die Jahre wurden verschiedenste Patente angemeldet:

 

Und jetzt ein paar Gedanken an unsere Umwelt

Man sieht also, dass mit der Zeit zwar immerhin der Schaumstoff verschwand, jedoch hat der portable Kaffee im Pappbecher sich als so praktisch und beliebt erwiesen, dass nunmehr stündlich in Deutschland 320.000 Coffee-to-go-Becher verbraucht werden – nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe sind das im Jahr ungefähr drei Milliarden. In Berlin sind es sogar 460.000 Becher pro Tag. Für die Herstellung dieser Becher, die durchschnittlich nach 15 Minuten im oben hoffentlich abschreckend-plastisch geschilderten Mülleimer landen, werden circa 43.000 Bäume gefällt.

Becher pro Tag

werden allein in der Hauptstadt Berlin verbraucht

Becher pro Stunde

werden in ganz Deutschland verbraucht

CO2-Emissionen

in Tonnen pro Jahr zur Herstellung von Bechern

gefällte Bäume

pro Jahr zur Herstellung von Bechern

 

Das sind alarmierende Zahlen und sie stehen für ein Produkt, das wirklich überflüssig ist. Seit einiger Zeit benutzen mehr und mehr Menschen Thermobecher, aber da wird oft das Problem (wieder einmal ein Wohlstandsproblem, natürlich) vorgebracht, dass man nicht jeden Morgen beim Verlassen der Wohnung daran denkt, diese einzupacken. Ende 2016 wurden für diese gehetzten, vergesslichen Menschen und für alle anderen, die keine Pappbecher sehen wollen, in Freiburg und in Berlin Pilotprojekte gestartet – Städte wie Tübingen, Hamburg und Rosenheim schlossen sich mit ähnlichen Projekten an, teilweise mit Rabatt für Kunden, die den Mehrwegbecher nutzen (als wären sie Kinder beim Zahnarzt, die mit bunten Zahnbürsten zum Zähneputzen animiert werden sollen). In erster Linie aber sind das Kampagnen für unsere Umwelt – denn beim Herstellen der in Deutschland verbrauchten Becher entstehen CO2-Emissionen von rund 83.000 Tonnen – und gegen aus allen Nähten platzende Mülleimer und verschmutzte Gehwege und Parks.

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Der »FreiburgCup« (»Wer ihn hat, hat’s CUPiert«, so der badisch-neckische Slogan) ist ein Mehrwegbecher, den es in vielen Cafés in der Innenstadt gibt. Verziert mit der Freiburger Skyline und aus spülmaschinenfestem Plastik kann er um die 400 mal benutzt werden. Man ersteht ihn für einen Euro Pfand und kann ihn bei allen teilnehmenden Cafés (das Netz sollte weiter ausgeweitet werden) wieder abgeben. 

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Foto: justswapit.de

 

Das Berliner Projekt mit dem Namen »JUST SWAP IT.« funktioniert ein wenig anders: die Becher sind aus Bambus, somit ziemlich schick, da zur Zeit viele Haushaltsprodukte aus Bambus auf dem Markt erhältlich sind, und kosten je vier Euro, davon geht ein Euro für den Deckel drauf.

In der ersten Phase nahmen Cafés in Neukölln und Kreuzberg daran teil – momentan wird ausgewertet, ob das Projekt etwas gebracht hat und wie es weitergeht – wir sind gespannt! 

Warum immer so gehetzt?

Projekte wie der »FreiburgCup« und »JUST SWAP IT.« sind zeitgemäße, nachhaltige Schritte in eine richtige Richtung – sie bringen umweltbewusste Alltagshelfer auf den Weg, die sowohl den gehetzten Menschen, der eben auf den schnellen Kaffee zwischen A und B nicht verzichten will, glücklich machen als auch das Stadtbild nicht ruinieren.

Zum Abschluss möchten wir aber fragen: macht es wirklich Spaß, im Gehen Kaffee zu trinken? Kann sich bitte auch nur eine Person melden, die sich nicht auf diese Weise die Zunge oder den Gaumen durch zu heiß gebrühten Kaffee verbrannt und/oder bekleckert hätte? Beim anschließenden Reinigen der weißen Bluse oder Hemd hat man dann genau die Minuten wieder eingebüßt, die man vorher beim vermeintlichen schnellen Kaffeekonsum gespart hat. Das Patent für die Deckel ist toll, das haben wir ja jetzt gelernt, und vielleicht passiert das mit dem Bekleckern auch nur einer kleinen Gruppe etwas ungeschickter Menschen. Trotzdem…

Wir möchten mit einem Plädoyer enden: Für Coffee-to-Sit statt Coffee-to-Go.

Ein Espresso aus dem dicken Porzellanglas schmeckt einfach besser; es mag zwar ein paar Minuten länger dauern, in ein Café zu gehen und ihn dort einzunehmen, aber verbunden mit einem kurzen Innehalten (und der die Verdauung anregenden Funktion des starken Kaffees, siehe Kaffee vs. Müdigkeit-Artikel) ist man danach so fit, dass es sich besonders gut arbeiten lässt. Von der sozialen Komponente (hastend mit Kaffee in der Hand lässt es sich vergleichsweise schlecht reden) ganz zu schweigen. Nur mal als Anregung.

Wir möchten mit einem Plädoyer enden: Für Coffee-to-Sit statt Coffee-to-Go.

 

Ein Espresso aus dem dicken Porzellanglas schmeckt einfach besser; es mag zwar ein paar Minuten länger dauern, in ein Café zu gehen und ihn dort einzunehmen, aber verbunden mit einem kurzen Innehalten (und der die Verdauung anregenden Funktion des starken Kaffees, siehe Kaffee vs. Müdigkeit-Artikel) ist man danach so fit, dass es sich besonders gut arbeiten lässt. Von der sozialen Komponente (hastend mit Kaffee in der Hand lässt es sich vergleichsweise schlecht reden) ganz zu schweigen. Nur mal als Anregung.

Zu den Foto-Credits

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